Daniel Tammet
Elf ist freundlich und Fünf ist laut
Ein genialer Autist erklärt seine Welt
Eigentlich erklärt Tammet nicht „seine Welt“, sondern erzählt seinen Lebenslauf bis ca.
2004.
Er schildert, in welche Umstände er hineingeboren wurde, welche Eigenschaften bei ihm
offenbar wurden und wie er sich damit arrangiert hat. Und seine Umwelt, denn Tammet hatte
wohl das Glück, mit sehr liebevollen und engagierten Eltern gesegnet zu sein (die mit seiner
Geburt den Grundstein zu einer Großfamilie legten) und auch in der Schule auf
verständnisvolle (oder zumindest gleichgültige) Lehrer zu stoßen. Seine Eigenschaften oder
Eigenarten hätten vermutlich in anderem Umfeld dazu führen können, dass er ausgegrenzt und
abgeschoben worden wäre, ein Zahlengenie im Abseits, sozusagen.
Der Autor erzählt, wie er Zahlen wahrnimmt und wie ihm sein assoziatives Verarbeiten auch
beim schnellen Erlernen fremder Sprachen hilft (Isländisch in einer Woche!), aber auch,
welche inneren Widerstände er immer wieder aufbrechen musste und wie ihm dieses
über-den-Schatten-springen geholfen hat, seine eigenen Grenzen immer wieder zu überschreiten
und mehr Selbstvertrauen aufzubauen.
Tammet braucht aufgrund seiner Asperger- und Savant-Eigenschaften einen sehr stark geregelten
Tagesablauf, kleine Störungen oder unvorhersehbare Ereignisse bringen ihn schnell aus dem
Tritt. Dass er dennoch eine ganz normale Schule besuchen konnte, den alltäglichen Umgang mit
fremden Menschen lernte und sie sogar eine Menge zu lehren hat, alleine ins Ausland reiste
und sein Glück mit einem Lebenspartner gefunden hat, bietet Hoffnung für viele, die schon
in der frühen Kindheit als „schwierig“ abgeurteilt wurden. Davon wird sicher nur ein
Bruchteil unter ähnlichen Symptomen leiden wie Tammet, jedoch ist auch dieses Buch ein
Plädoyer dafür, Kinder, die „aus dem Rahmen fallen“ nicht einfach draußen zu lassen,
sondern nach Methoden zu forschen, die ihnen helfen, ihr eigenes Potential zu entdecken.
Wir müssen nicht alle nach dem gleichen Strickmuster aufwachsen und lernen, aber wir sind
alle Menschen und dürfen erwarten, in unserem Wesen anerkannt und nach unseren Fähigkeiten
gefördert zu werden. Dass das unser gegenwärtiges Schulsystem überfordert, ist sehr
bedauerlich. Es obliegt mir nicht, Schuldzuweisungen auszusprechen. Aber im vorliegenden
Buch ist dargelegt, dass man trotz des normalen Schulsystems (in diesem Fall in
Großbritannien) auch bei persönlichen Problemen ein hochintelligenter, mitfühlender Mensch
werden kann, der sein Leben nach eigenen Wünschen zu gestalten gelernt hat.
Leider hat den Korrekturleser die Lektüre an einigen Stellen wohl etwas gelangweilt, so dass
er einige Böcke stehengelassen hat, darunter fehlerhafte Formeln auf Seite 86/87. Schade.
Erschienen als
Heyne TB 2008
284 Seiten
ISBN 978-3-453-64040-5
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Rezensiert 19.04.2009
© Claudia Heldt.
Zuletzt aktualisiert: 27.05.2009