Barry Unsworth
Die Masken der Wahrheit
Meine Meinung
Wenn auch anfangs aufgrund der einem mittelalterlichen Scholaren nachempfundenen Sprachweise
etwas sperrig zu lesen, zieht das Buch schnell in seinen Bann. Es entsteht ein sehr
plastisches Bild des mittelalterlichen Lebens. Hunger, Krankheit, Tod und Willkür waren
ständige Begleiter, auch wenn man nicht reiste. Bei dieser Schilderung hilft die gewählte
Sprache wiederum, die zeitliche Distanz zu unserer Zeit zu sehen und zu überbrücken. Uns
sind viele Dinge heute selbstverständlich, die damals einfach nicht galten (ganz abgesehen
davon, dass es einiges natürlich damals nicht gab) – und umgekehrt.
Faszinierend auch der Einblick in die Art der Schauspielerei, die sich von der unserigen
heutzutage ziemlich unterscheidet. Gesten, Masken und personifizierte Moralbegriffe
(„die Wahrheit“, „der Hochmut“) wurden in Stücken verwendet, die vornehmlich biblische
Themen zum Inhalt hatten („Das Stück von Adam“); Themen aus dem aktuellen Leben, wohlmöglich
mit fiktiven Inhalten, waren fast undenkbar, auf jeden Fall aber skandalös und beinahe
blasphemisch. Die Schilderung der Abläufe der Schauspiele erinnert viel mehr an fernöstliches
Theater, wo die Kunst des Schauspielers in der exakten Wiedergabe bestimmter Gesten und
Bewegungen liegt und weniger in der dem Schauspieler eigenen Körpersprache oder Mimik.
Ein etwas anderer, packender Krimi, der im Mittelalter spielt.
Das Buch war auch Vorlage zum Film „The Reckoning“ mit Daniel Defoe und Paul Bettany.
Nachdem mir das Buch so gut gefiel, hatte ich dann so meine Probleme
mit den Plotänderungen, denn der Film läuft ab einem gewissen
Zeitpunkt einfach in eine etwas andere Richtung. Da wurde wohl mehr
Wert auf Dramatik gelegt (was ich dem Regisseur einigermaßen übel
nehme). Ich verstehe auf der einen Seite den Reiz, es filmisch so
darzustellen, aber die Denke ist da wesentlich moderner als im Buch,
das alles aus der Perspektive des abtrünnigen Scholaren Nicholas
erzählt. Der lernt aus der Geschichte für sich selbst, während im Film
eine Gesellschaftskritik zum Tragen kommt, die es damals sicherlich in der Form
nicht häufig gab.
Unabhängig vom Buch betrachtet trotzdem ein interessanter Film.
Erschienen im Gustav Lübbe Verlag 1997
TB, 304 Seiten
ISBN 3-7857-0872-6
Rezensiert 21.05.2009
© Claudia Heldt.
Zuletzt aktualisiert: 12.06.2009